Wie Kai Pflaume mir das Laufen vermieste

Heute habe ich eine Lauf-App herunter geladen. Das war nicht gut.

Die Geschichte beginnt natürlich viel früher. Vor etwa fünf Jahren, als Nic mich aufforderte zwang  einlud mit ihm zu laufen. Nic war damals schon ein erfahrener, ein ambitionierter Läufer. Ich nicht (Wie es mir geht kannst du hier nachlesen). Aber ich schaffte es am Ende – nach Jahren des Trainings – etwa zwei Mal die Woche gemeinsam 9000 Meter zu laufen. In einer Stunde. Als Ü50. Alleine seltener, aber im Team gut. Manchmal sogar weiter, „….bis zur Brücke!“, wie Teamleader gern vorschlug. Ich weiß, dass – schaffe ich das eines Tages – der nächste Satz sein wird: „Auf! Ans andere Ufer!‘

Das ist zu weit, aber das ist eine andere Geschichte.

Denn inzwischen wurde Tarzanstochter groß, wir sahen immer öfter Samstagabend-Shows wie „Groß gegen Klein“ oder „Wer weiß denn sowas?“.

Richtig, diese Shows moderiert Kai Pflaume, sehr nett, sehr sympathisch. Da das Kind schon groß ist instagramt es. Wie Kai Pflaume.

Der übrigens ziemlich genauso alt ist wie ich, wie Tarzanstochter eines Tages feststellte, aber möglicherweise aussehe wie 42, anders als ich, wie sie hinzufügte. Ich sehe aus wie Ü50.

Dann bemerkte Tarzanstochter, dass Kai Pflaume dort läuft, wo ich laufe. Immer wieder tauchten bei Instagram Fotos auf, die ihn, den jungen Moderator, an uns bekannten Stellen zeigten.  Natürlich zusammen mit Strecke und Zeit: 10 Kilometer, gern mehr in einer guten Stunde.  ‚Respektabel‘ finde ich, der eben eine Stunde für 9000 Meter braucht.

Als das Team vereinzelt läuft und ich mir schwer tue unter diesen Umständen das Ziel zu erreichen begleitet mich Tarzanstochter auf dem Rad; wir sprechen dabei über dies und das, auch darüber, ob wir an diesem Tag Kai Pflaume treffen werden. Dabei kommt natürlich auch die Frage nach meiner Geschwindigkeit auf, meinem Tempo. Seines kennt sie ja. Dank Instagram.

Ich kenne meines nicht, weil ich es doof finde, auch das zu vermessen; der Weg führt mich zum Wendepunkt und zurück. Meistens brauche ich eine Stunde, mal länger, selten weniger. Das reicht.

Bisher.

Inzwischen fuchst mich die Sache allerdings, und daher lade ich doch die App herunter, die nun genauen Aufschluß darüber verspricht, wie lange ich wie weit laufe, und in welchem Kilometer ich Schildkröte sein werden und in welchem Hase.

Ich weiß das, weil ich diese App bereits einmal herunter geladen hatte, bis ich eben die oben genannte Erkenntnis hatte – und keine Verwendung mehr für die App. Also löschte ich sie. Vor gut drei oder vier Jahren. Deinstallierte sie. Nun also hole ich sie wieder, weil ich wissen will, wie groß der Unterschied zwischen Kai Pflaume und mir ist. Konkurrenz! Männer! Yeah!

Inzwischen heißt die App Adidas irgendwie. Ich lade sie also wieder runter vor dem heutigen Lauf. Ich will es ja wissen, verbinde mich daher mit Adidas, und Adidas mit meinem Google Konto, auf das nun alle wissen, wie groß und schwer ich bin, dass ich künftig mehr Laufsport Werbung bekomme und evtl. die Krankenkasse mir Angebote machen wird. Oder Vorschriften.

Ich laufe also, das Handy an der Brust und bin gespannt, was das Ergebnis sein wird, ob es nah an Kai Pflaume, oder weiter weg sein wird.

Eine Stunde später, verschwitzt, erschöpft, erledigt, trifft mich der Schlag: Die gelaufene Entfernung, die Strecke die ich seit vier Jahren regelmäßig laufe, ist keinesfalls 9000 lang, sie misst nur 7570 Meter.

Es fehlen 1500 Meter, von einer Konkurrenz mit Kai Pflaume ganz zu schweigen. Noch bin ich ganz erschüttert, da will das Kind wissen, welche Ergebnisse ich erlaufen habe.

Kaum dass ich den Schock verkraftet habe, stelle ich mich der zweiten Herausforderung: Eingestehen, dass Kai Pflaume, der junge Moderator, der so alt ist wie ich, nicht nur schneller sondern auch deutlich weiter läuft als ich. ‚Eine tolle Gelegenheit mit ihrem Kind ins Gespräch zu kommen und zu zeigen, wie Mann mit Krisen umgeht‘ würde Jesper Juul vorschlagen, der dänische, gemütliche Psychologe, der in seinem ganzen Leben sicher keinen Meter gelaufen ist.

Bevor ich die App lösche bemerke ich, dass meine Daten von vor fünf, sechs Jahren noch vorhanden sind: Wie das sein kann frage ich mich schon nicht mehr. Unter anderem davon geschockt, dass ich seit vier Jahren diese – kurze – Strecke in einer Stunde zurücklege.

Jetzt bin ich unzufrieden mit der Laufleistung, auf die ich Jahre lang stolz war. Unglücklich, weil ich es weiß. Weil ich weiß wie weit ich wirklich laufe, und wie schnell Kai Pflaume das tut.

Morgen höre ich auf zu laufen.

Danke Kai.

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