Home-schooling: Alles umsonst – aber nichts vergeblich

Wir sitzen vor unseren Kameras, Dieter, Martin, Richard. Jeder seine Bierflasche vor sich, niemand mehr mit einer Coronaflasche. Zenzi, die Bedienung aus der Zünftigen Wirtin, hat sich zugeschaltet. Die Haare der Männer sind etwas länger als sonst, die Blicke angestrengt.

Richard hat Stift und Papier vor sich: Er fragt, ob er – besäße er einen Zehntonner – einen Marmorblock (3m x 1,5m x 0.9 m) laden dürfte. „Kleiner Tipp: Die Dichte von Marmor ist 2,7 kg/dm³, jetzt los Männer, geht’s?“

Ich komme schnell auf ein Blockgewicht von etwas …

…  über 100 Kilo, und vermute, bei dem Block handelte es sich um Balsa-Marmor; Martin fragt erst nach „… 10 Tonnen Zuladung oder zulässiges Gesamtgewicht?“, dann nach dem Gewicht des Fahrers und dem Füllstand des Tankes („Welche Dichte hat Diesel?“).  Martin will es immer genau wissen. Ganz genau.

Dieter sagt einfach: „Nö.“

„Blöde Situation, das alles“, sagt Martin.  Er meint nicht unsere Zusatzaufgaben als Physik- oder Mathelehrer, die wir selbstverständlich locker meistern. Ganz locker. Martin hat ein kleines Geschäft; jetzt geschlossen, „ich halte das nicht lange durch.“ „Ja“, sage ich, ich kenne das, mir ist ein Teil der Einnahmen weggebrochen. Martin meint, ein paar Woche halte er durch, lange nicht; Richard und Dieter können nur über Homeoffice stöhnen, nervende Kinder und Frauen, Pillepalle für die, die kaum wissen, sie kommende Woche das Leben bezahlen wollen.

„Niemand hat Geld, so viele Geschäfte machen dicht, große Firmen beantragen Kurzarbeitergeld, der Staat zahlt alles“, sagt Martin, „der Staat – wenn er zahlt“. Unglaubliche Summen werden genannt. „Die Brauerei macht bald dicht“, sagt Zenzi, „was wird dann aus mir?“

„Ich bin systemrelevant“, sagt Richard, „ich bin der, der am Ende alles bezahlt, das war bei der Finanzkrise so, es ist heute so.“ Neben seiner Bierflasche ist auf einmal ein Schnapsglas aufgetaucht. Jetzt leer. „Aber erst mal zahlt der Staat.“

„Ja, aber … wenn wir alle nix haben, du und du und du und die Brauerein, und BMW und der MVV, also alle (außer den ganz Reichen natürlich), wenn also alle nix haben, und Geld vom Staat bekommen, um uns untereinander bezahlen zu können … dann können wir es doch auch für  – sagen wir mal – vier Wochen lassen: Niemand zahlt irgendwem irgendetwas. Alles ist umsonst, aber nicht vergeblich.“ schlägt Dieter vor.

Martin: „Du … meinst, das Bier hier? Umsonst? …“

Richard: „Die Telko hier, der Strom? Umsonst?“

„Genau: Jeder hat kein Geld, jeder bekommt irgendwie Geld vom Staat, das wir am Ende zurückzahlen. Bekommt keiner was, und jeder bekommt alles umsonst, ist auch alles gut. Im Grunde ändert sich nicht so viel. Wir sparen Verwaltung, reine Verschieberei von Sachen von hier nach da. Bringt eh nix.“

„Aber, aber … würden dann nicht alle alles hamstern wie Klopapier und Hefe?“

„Hammse ja schon alles, die Vernünftigen tuns eh nicht, und Typen wie Martin“, sage ich, „können wir ja in Ruhe den ganzen Tag Ubahn fahren lassen.“

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