Väter KÖNNEN ihr Kinder nicht richtig anziehen

Ich treffe Klaus.

Zufällig. Beim Einkaufen, sein jüngerer Sohn begleitet ihn. Hübsch warm eingepackt trottet er hinter seinem Vater her. Klaus ist über 50 sieht aber aus wie über 40. Gepflegt, seine grüne Army-Jacke harmoniert gut mit seinem schwarzen Pulli, Jeans, bequeme gute Schuhe. Gutes Outfit fürs Einkaufen, der Jahreszeit angemessen.

Wir wechseln ein paar Worte, bevor ich seinen Sohn näher betrachte, und denke, der ist aber echt eingepackt. Das sage ich dann auch:

„Klaus, Dein Sohn ist ganz schön eingepackt.“ Es ist einer der frühen Mai-Tage, morgens noch frisch, aber dann kommt die Sonne, es wird warm. Im Edeka sowieso. Würden die zwei Semmeln holen, ich verstünde es. Aber es ist irgendwo zwischen 10 und 11 Uhr, es wird immer wärmer, zumindest in der Sonne.

„Hmmm,“ sagt Klaus, zuckt mit den Schultern, schaut verzweifelt und spricht stockend weiter: „Die Mutter, ….  sie wollte es so,  ….ich ..  ich kann die Kinder …. nicht richtig anziehen.“

Ich höre Schmerz aus seiner Stimme, Schmerz, der alle komplexen beruflichen Lösungen und Erfolge in Frage stellt, alle Fähigkeit, eine Frau zu finden, genug Geld zu verdienen um sich in dieser Stadt eine Wohnung, eine Familie zu leisten,  die Wohnung möglicherweise sogar kaufen zu können, zwei Kinder in die Welt zu setzen, und auch für deren gesunde Basis zu sorgen, kurz drei Leben zu organisieren, zu ermöglichen, ein weiteres zuvor mit in das eigene Leben zu integrieren. Also eigentlich alles, was Klaus bisher gut geschafft hat. Dieser Mann scheitert also an der richtigen Jacke für sein eigen Kind? Ich klopfe Klaus auf den Rücken:

„Klaus, Freund, Mann. Das können wir alle nicht. Sagen die Frauen.“

Aber ich tu es trotzdem. Erst heute war wieder einer der inzwischen seltenen Momente, in denen Tarzanstochter mich um Rat frug:

„Darf ich kurze Hose?“

Tarzanstochter-Mutter war schon lange aus dem Haus, ich der Herrscher über den Kleiderschrank. Zumindest in gewissen Teilen, denn das Gebiet haben Mutter und Tochter längst unter sich aufgeteilt, ich bin bestenfalls noch ab und an Schutzmacht. Und natürlich Wäsche-falsch-Verteiler.
War es eine Zeit lang noch recht klar, welches Wäschestück in welchen Schrank gehört (Tarzanstochter-Mutter trägt nicht so Bodys oder merkwürdig bedruckte Hemdchen) wird es inzwischen schwieriger: Die Füße haben die gleiche Größe, Schuhe werden schon mal getauscht, genaugenommen trägt Tarzanstochter ab und an Tarzanstochter-Mutter Schuhe. Umgekehrt hab ich es noch nicht beobachtet. Also Socken sind schwer zu verteilen und führten immer wieder zu Ärger, weil die falschen Söckchen im Körbchen liegen. Die weißen T-Shirts sind schwierig geworden, weil es ne Menge Shirts gibt, die sich durchaus aus der Waschmaschinen-Größe in eine relativ beliebige Größe dehnen lassen. Oder Leibchen in der Wäsche sind die für Tarzanstochter-Mutter klein und eng wirken, vielleicht wie gewollt, für Tarzanstochter aber weit und schlabberig, vielleicht wie gewollt. Wie soll man da erkennen, welches Mutter-, welches Tochter-Shirt ist (außer es hat einschlägige Flecken und im Etikett steht was von ‚Kids‘)?
Um nicht ständig beschimpft zu werden, ordne ich klare Sachen in die passenden Schränke, den Rest lege ich auf einen self-delivery-Haufen. Aus pädagogischen Gründen. Es werden Zeiten kommen, in denen ich verboten bekomme, Trazanstochter-Wäsche auch nur anzusehen. Davon bin ich überzeugt. Besser jetzt schon mal mit der Aufteilung beginnen.

Heute jedenfalls war Tarzanstochter-Mutter eben schon aus dem Haus, das Kind wollte zum Sportplatz zur Freundin. Deshalb:

„Darf ich kurze Hose?“

Es wird warm werden. Hat das Kind nur genug obenrum an, sind kalte Waden nicht so furchtbar (beweisen tausende Original-Bayern in diesen beiden Festwochen täglich: Janker ja, aber Wadeln frei. Is fesch, sagt man hier. Fesch.) Und schließlich: Wie soll es denn lernen sich selbst korrekt anzuziehen, wenn es nicht einmal Fehler machen und frieren kann? Der Sportplatz ist nicht soweit weg, als dass das Kind nicht zurück radeln und etwas anderes anziehen könnte, sollte es ihm wirklich, wirklich zu kalt sein. All diese Punkte rasen durch mein Hirn, bis es auf Tarzanstochter-Mutter-Argument stößt: „Es ist nicht Sommer!“ Abwägen, zusammenfassen sind in Sekundenbruchteilen erledigt; Männer können das.

Ich: „Klor.“

Das Kind handelt, sausst raus, ich muss helfen, das Rad aus dem Keller hieven. Im Hausflur das Unvermeidliche. Wir treffen Tarzanstochter-Mutter, die gerade zurückkommt.

Kritische Blicke!
Fiese Fragen!
Ein sich herausschlängelndes Kind, das ruft: „Der Pappa hats erlaubt!“ Gebrummel, während Tarzanstochter-Mutter die Post aus dem Briefkasten nimmt, beäugt vom unschuldig schauenden Vater. Und wieder denkt eine Frau: „Er kann es einfach nicht!“

Das liegt an den Müttergenen, erkläre ich Klaus, und dem vertrackten Kälte-Wärme-Tauschern, die Frauen von der Evolution eingebaut bekommen haben: Immerhin saßen sie gemütlich am Feuer, die Beine ausgestreckt zur wärmenden Glut. Wir Männer hockten in den Bäumen, Beute machen. Mammuts, Tiger, auch mal ein Eichhörnchen, aber immer viel. Viel Fleisch. Das Sitzen da im Baum war oft kühl, daher war es wichtig alles zu durchbluten, warm zu halten, aber auch mal Kälte auszuhalten, Kühle zu spüren. Immerhin ein Merkmal, ob es früh oder spät ist. Wir Männer können das. Warmhalten.

Bis heute müssen die wackeren, wärmenden und nicht umsonst vernünftig behaarten Männerbeine als Heizung für die Frauen herhalten. Weil wir es eben gelernt haben, auch mal eine gewissen Kühle auszuhalten, sie durchzuhalten, sich mental zu wärmen.

Doch davon wollen die Frauen nix wissen. Stattdessen strecken sie ihre Eisesbeine unter die Decke und begehren Hitze von uns. Zumindest an den Beinen.

Dazu versuchen die Frauen sich ein Bild von der draußen herrschenden Temperatur zu machen, in dem sie das komisch angebrachte Thermometer in der Küche befragen, den Wetterbericht hören, der ja auch gerne theoretisch denkbare Niedrigstemperaturen aus entlegenen Regionen mit verkündet, nehmen dazu ihr eigenes momentanes Wohlbefinden, und  – zack – schon ist klar, es muss heute die blaue Jacke mit dem 1,2 Millimeter dicken Innenfleece sein. Wäre es nur 0,5 Grad wärmer könnte es auch die hellgrüne mit dem geschätzt ebenfalls 1,2 Millimeter dicken Futter sein. Aber eben nur dann, vorher ist diese hellgrüne indiskutabel. Keinesfalls auch nur die dicke Fleece Jacke! „Es soll im Voralpenraum runter auf 12 Grad gehen!“ sagt Tarzanstochter-Mutter zum Kinde und gleichermaßen zum Manne, der wieder irgendeine Jacke rausgelegt hätte, vollkommen unfähig den Unterschied zwischen der blauen und der hellgrünen Jacke zu begreifen (Immerhin erfasse ich die Farben: Neulich walzten wir das Thema, das Männer immer nur grün sehen, wo Frauen vielfältige, bunte Nuance wie mint, aubergine, grassgrün, tannengrün …. erkennen  so dermaßen aus, dass Tarzanstochter mich am Abend testete: Sie zeigte auf verschiedene Gegenstände, und wollte wissen, in welcher Farbe ich diese sehe. Erst sagte ich immer „Grün!“, später dann die wahren Farben. Das beruhigte Tarzanstochter.)

Dazu kommt das feminine geheim Wissen über Stoffe, das offenbar von H&M-Mitarbeiterinnen, oder Esprit oder Kaufhof-Verkäuferinnen unmerklich an die Käuferinnen weiter gegeben. Aus dem diesem Wissen schöpfen die Frauen die Erkenntnis, warum dieser Stoff bei einer denkbaren 11,5 Grad Morgen-Außentemperatur im Alpenvorland besser ist, als jener, der aber den Bereich zwischen 11,7 Grad und 21 Grad abdeckt.

Da können wir Männer nicht mithalten. Wir geben unseren Kindern, was wir selbst anziehen würden. Das reicht auf alle Fälle für die kurze Spanne, bis die Frau wieder die Regie über die wirklich wichtigen Dinge in unser aller Leben übernehmen kann.

Klaus verstand das nach dem dritten Bier in der Zünftigen Wirtin, dem Treffpunkt für viele unverstandene Männer jeden Alters, aller Klassen und politischer Richtungen. In solchen Fragen sind wir geeint. Klaus wirkte ein bisschen munterer, als er beschwingt seine Einkäufe machte, während sein Sohn in der Sonne spielte, und sich irgendwann die Jacke selbst auszog.

 

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