Es klingelte.
Ich öffnete.
Überrascht – fast freudig überrascht – erkannte ich Kismet, die türkischstämmige Kindergärtnerin Erzieherin meiner Tochter vor der Tür stehen. Eine attraktive Frau. Allerdings kommen mir in meinem Alter alle Frauen attraktiv vor, die meine Tochter sein könnten, und unter 50 Kilo wiegen.
Sie wohnte nicht weit von hier, also quasi gegenüber. Das fand ich bisher nett – im Prinzip. Ist ja schön, wenn man so … nette Nachbarinnen hat.
„Sagen Sie mal, sind Sie rechtsradikal?“ Kismets Frage holte mich aus der ersten Freude raus. Was für eine Frage! Aus ihrem Mund. Jetzt. Hier. Andererseits: Was hatte ich erwartet? Dass Freitag Nachmittag die Kindergärtnerin Erzieherin vor der Tür steht und mich in die Entscheidung zwingt, ob ich ein Kaffee mit einer Frau trinke, die Helmut Kohl nicht kennt?
Dann wieder: Ich und rechtsradikal? Wie kommt sie darauf? Warum?
„Warum?“ fragte ich deshalb. „Ich? Wir?? Hä?“ Damit war jedes bisschen positiver Vibrations, die hätten schwingen können, der Politik gewichen – und meiner Überraschung: „Ich? … Wir?? … Hääää?“. Seisdrum. So komm ich auch nicht in Schwierigkeiten. Also nochmal:
„Hähäää?“
„Ihr Tochter singt immer“ … sie – also Kismet – kramte einen Zettel aus ihrer original kopierten Handtasche, entknüllte ihn und las ab: „ … Doch sie kamen wieder, … mit …“ knülll „… Schwertern … in der Hand! Auf ihr deutschen Brüder (hier sah man die Ausrufe-Zeichen in ihren Augen leuchten!) , jetzt gilts fürs Vaterland.“ Zusammenknüllen. Kräftiges Zusammenknüllen. Dann laut rufen: „Was soll das denn????“
Sie stemmte ihre Hände in die Hüften. So stelle ich mir die Pubertät meiner Tochter vor. Ein Vorgeschmack?
Auf solche Situationen wird Mann ja nicht vorbereitet. Ich mein jetzt nicht, dass saure, attraktive Kindergärtnerinnen Erzieherinnen vor der Tür stehen (darauf auch nicht, aber damit kann man umgehen).
Ich meine: Eines Tages verlangte Kerlchen abends vor dem Schlafen nach vorgesungenen Liedern. Deutschen Liedern. Oder besser gesagt Liedern, die Kerlchen versteht.
Darauf bereitet Dich keiner vor. Bisher hatte ich allerlei Lagerfeuer-Lieder vorgesungen, immerhin beruhigten die Cowboys damit ihre Rinder, warum sollte das nicht auch mit Kerlchen klappen? Aber dann kommt eben der Tag, wo es mitdenken möchte, oder wasweissich. Auf alle Fälle muss es deutsch sein. Wer kann schon noch deutsche Lieder? Länger als die ersten zwei Zeilen der ersten Strophe?
Ich kramte also in meinem Hirn und fand die „6 Studenten“. Ja, es gibt in diesem Lied die erwähnte Zeile, aber es geht um das Jahr 1848. Oder so. Da ging es um ganz andere Dinge, als Kismet es heute interpretierte. Egal, ich versucht ihr das Nationbuilding der Deutschen zu erläutern, aber das ist schwer. Wenn man eigentlich keine Ahnung hat.
Leichter ist es, die Lieder zu lernen, die Kismet freundlicherweise mitbrachte. Die Elle-Fanten (mit Gesten) und Windewehen. Und Grüngrüngrün. Und so.
Eine Woche später. Es klingt, ich öffne: Katharina steht in der Tür. Auch sie ist Kindergärtnerin Erzieherin, attraktiv, könnte meine Tochter sein. Was war nur los? Ungefähr 15 Jahre lang hatte keine attraktive Frau spontan an meine Tür geklopft, jetzt schon die zweite in einem Monat?
„Sagen Sie mal, geben Sie Ihrer Tochter Alkohol???“ Mannmannmann, ich wollte gerade ‚Windewehen‘ anstimmen, da musste ich mich umstellen: Kerlchen ist ein echt großes, kräftigen Kerlchen, jenseits jeder Missbildung durch Alk in der Schwangerschaft oder sonst was. Wie kommt sie also Katharina – auf sowas? Also:
„Wie kommen Sie auf sowas?“
„Ihre Tochter hat das gesagt.“
„Glauben Sie, was Ihnen eine 6-jährige erzählt, die nicht ausguckt, als hätte sie jemals Alkohol getrunken?“
„Ihre Frau Mutter hat erklärt, dass sie neulich betrunken von ihnen weggegangen ist. …“ Ich ahnte was kommen würde. „Ihre Tochter hat dann ausgetrunken, was ihre Frau Mutter übergelassen hat.“ Ich wusste es.
ICH WUSSTE ES.
„ Am Ende waren alle betrunken! Ich verständige das Jugendamt!“
Die Karamalz-Diskussion!
Omma behauptet da sei Alkohol drin. Sie behauptet, das sie als Abstinenzlerin das spüre und neulich bereits nach einem Viertel Glas Karamalz ganz duselig sei. Kerlchen nahm das dankbar auf, rief „Kinderbier! Kinderbier!“ und trank sofort das Glas aus.
Was tun? Katharina auf einen Schnaps reinbitten? Alles bei einem weiteren Bier in Ruhe klären? Riskieren, das beim nächsten Klingeln das Jugendamt in der Tür steht? Darauf hinweisen, dass sie jetzt zwar 22 Jahre alt und topfit ist, sie aber in 51 Jahren auch tütelig und schwierig wird?
Diesmal kamen sie nicht vorbei.
Sie passte mich ab.
Morgens.
MORGENS.
MONTAG MORGENS.
Das war nun wirklich ein böserböser Fehler. Sie konnte nicht meine Tochter sein, und fragte mich am MONTAG MORGEN, ob ich meine Tochter auch genug fördere. Ihr sei aufgefallen, sagte sie in mein verdutztes Montag-Morgen-Schweigen, dass ich die Kleine aus der Musikschule abgemeldete hätte (MONTAG MORGEN, 8 UHR; mit einem CHAOTEN LEHRER!!!, danach Vorschule, daher kein zweites Frühstück. Das ist … Kinder-Guantanamo! ) Den Skikurs hätte sie ebenfalls nicht mitgemacht (sie hatte HUSTEN, der mich genau genommen rund 300 Euro gekostet hat. Der Skikurs, den sie eben nicht besuchte plus die Ausrüstung, die im kommenden Jahr – logo – zu klein sein wird), und im Elternbeirat sein weder ich noch meine Frau (???) Schließlich nenne meine Tochter andere Kinder oft ‚Arsch‘, sagte, etwas sei ‚Scheisse‘,
Meedels! Das is schon ok so.