Seit Jahren geistert eine Gummienten-Geschichte durch die Medien: Demnach soll in einer stürmischen Nacht irgendwo im Atlantik (oder Pazifik, oder im indischen Ozean, oder eben irgendwo) ein Container mit diesen gelben Gummienten vom Frachter gefallen sein.
Der Container brach auf, die Gummienten driften seitdem durch den Atlantik (oder Pazifik, oder den indischen Ozean, oder durch irgendetwas, nur nicht durch das Steinhuder Meer. Das nennt sich zwar so, ist aber bestenfalls ein Meer wie der Chiemsee, das Meer der Bayern. Bayern müssen ja alles haben, und wenns geht größer und besser als alle anderen Bundesgenossen. Die Bayern sind quasi die Texaner Deutschlands. Oder, da die Bayern vor den Texanern existierten, die Texaner sind die Bayern Amerikas. Entschuldigung für diesen Ausflug.).
Zusammengedrängt wie ein verschreckter Schwarm Küken zittern sie sich jetzt durch Wellenberge und Stürme, durch Tag und Nacht. Die Armen. Wegen einer Kreisel-Strömung bleiben sie zusammen und kommen nicht vom Fleck, heißt es in den Agenturmeldungen, sie gelten nun als Inbegriff der Verschmutzung der Ozeane, verirrte Küken, die wohl noch Jahrhunderte lang einen gelben Teppich über das Wasser legen, anstatt einzeln in westlichen Badezimmern Freude zu verbreiten.
Stets zitiert, nie fotografiert.
An diesen Teppich dachte ich heute, als ich mit Kerlchen im Westbad ankam. Dort tummelte sich ein Riesenhaufen roter Schwimmflügel, dazwischen tauchten kurz Eltern-Köpfe auf, für Momente, bevor sie im Wasser versanken, oder unter den roten Schwimmflügeln. *
Das West-Bad, nur für die wirklich Interessierten, war überfüllt: Man sollte morgens gleich um 7.30 Uhr gehen, alles andere wird zum Kampf, der am Ende nur verloren werden kann. Denn am Ende schubsen einen unter Wasser die Kinder, über Wasser entschuldigt man sich fürs Anrempeln der Rücken der anderen Eltern, die rückwärts durch das Becken schreiten, den rettenden Arm den im Hunde-Modus hinterher paddelnden Kinder immer weiter entziehend, auf dass sie statt unterzugehen über Wasser bleiben, wie der gelbe Teppich der Badeenten.
Immerhin war es nur möglich in das Bad zu kommen, weil ein anderer wohlmeinender Vater mir erklärte, wie das ausgefuchste System der Kabinen-Schlüssel funktioniert, das alles in den Schatten stellt, was ich bisher in den andern (durchaus auch anspruchsvollen ) Schwimmbädern erlebt habe. Es galt nämlich zunächst an kleinen Wertfachschränken einen Schlüssel zu ziehen, der dann die eigentliche Spinde öffnet. Ich dachte mir schon: „Wahnsinn! Alle Spinde belegt!“ Dabei steckten die Schlüssel bloß an anderer Stelle.
Immerhin, schließlich waren wir drin. (Allmählich kann ich eine städtische Schwimmbad-Kritik schreiben. Kurz gesagt ist das Grünwalder Bad das Beste: Geringer Eintritt, wenig los (Vermutlich hat in Grünwald einfach jeder ein Schwimmbad im Keller, nur die wenigen Armen müssen ins öffentliche Bad gehen, ein echtes Volksbad, sozusagen. Innen gibt’s auch ne tolle Kaffeebar, mit Großbildleinwand und allem, nur die Föns sind die absoluten Billig-Dinger. Die Planer waren vermutlich kinderlose Glatzköpfe.))
Zurück ins West-Bad: Ein Freund mit seinem Kerlchen wollte nach kommen. Das verabredeten wir an der Kasse. Wir fanden uns 45 Minuten lang nicht, so groß ist das West-Bad. Dann trafen wir uns zufällig an der Treppe zur Rutsche.
Das war gut, denn Kerlchen freut sich schon, wenn andere Kinder da sind, bei denen es was abzugucken oder anzugeben gibt. Fortan schwammen wir gemeinsam durch das Becken. Wie die gelben…
Und irgendwann raus: Das war schließlich auch schwierig, weil die Schlange derer, die an der Kasse vorbei ins Band wollten, so lang war, dass sie die Schleuse verstopfte, aus der die Leute versuchten das Bad wieder zu verlassen. Aber am Ende gelang auch das Verlassen des Bades so gut, wie das Eintreten.
*Vor allem im Urlaub sieht man die interessantesten Dinge: Unglaublich gefärbte und geformte Schwimmflügel, die in einem Land wie dem unseren, in dem es scheinbar ausschließlich signalfarbene, rote Schwimmflügel mit dem Sicherheits-Zertifikat „Sichert auf Hoher See bei Windstärke 12 mindestens 15 Minuten das Überleben“ an die dünnen Ärmchen der Kinder in den wohltemperierten Bädern schaffen, das sichere soziale Aus bedeuten.
Italiener erkennt man gut daran. Sie haben oft so Lillifee und andere Fantasy-Flügel. Niederländer erkennte man daran, dass sie bereits Allerkleinst-Kinder in schlauchbootartigen Schwimmhilfen über das Wasser jagen. Die Kinder wissen noch gar nicht wie ihnen geschieht, aber die Niederländer wissen genau, dass ihr Land (NIEDERlande!) praktisch jederzeit von der Nordsee überflutet werden kann, und daher Schwimmen-können zum Fortbestand der Nation beiträgt. Und wenns in diesen Gummiboot-Windel-artigen Dinger ist.
Wer so etwas nutzt neigt übrigens dazu das Kind, kaum im Trockenen, in eine Geh-Hilfe zu stellen, die in etwa das gleiche ist wie die Schwimm-Hilfe, aber ohne Luft drumherum, dafür mit Rädern unten dran.
Wer beides nutzt neigt dazu, mit dem Geländewagen zum Campingplatz-Bäcker zu fahren, und die Croissants zu holen. So, das aber nur nebenbei.
Über die Eltern jener Kinder, die in Schwimmwesten (noch höheres Sicherheitszertifikat als die roten Schwimmflügel) ins Kinderbecken müssen ist mir noch nix bekannt, aber deren Kinderwagen haben sicher Airbags.