‚Wie kams denn überhaupt dazu?’ fragst Du Dich in einem der wenigen Momenten der Klarheit, der Ruhe und der Nicht-Müdigkeit. Also einem wirklich ganz seltenen Moment. Fragst Dich, ob dein altes Leben wirklich vor kurzer Zeit sein Ende fand? Kommt daher der Spruch das Leben und Tod so nah beinander liegen? Weil das bisherige stirbt, wenn Kerlchen geboren wird?
Wie die Erinnerung an die Feier zum bestandenen Motorrad-Führerschein, damals mit den guten Jungs vom Club, holst du aus den letzten Tiefen des Gehirns jenen Satz raus, den Dir deinen Freundin nach geschäftigen hin- und herlaufen zwischen Klo und Apotheke, nach der ein oder anderen Stunde des verträumten Guckens und Telefonierens mit der besten Freundin (wieder auf dem Klo) gesagt hat:
„Wir werden Eltern!“
‚Davon, Schätzchen, davon war nie, und ich wiederhole, NIE die Rede’, denkst du nun also im ersten Moment.
Sicher; ihr seid beide in einem Alter wo es entweder zum Äußersten oder zu gar nichts mehr kommt.
Gut, ihr habt immer mal drüber geredet.
Sicher, da war der ein oder andere Blick auf andere Kinder.
Aber andererseits war es ja gut gelungen die jahrelangen, investigativen Fragen der Familie („Und? Macht ihr noch Kinder, hmm?“) einzudämmen. Und dann die Wohnung! Die Wohnung passt doch gar nicht für ein Kind („Es ist doch nur ein Kind?! Wie heißt es überhaupt?“). Und stand nicht noch der Urlaub in Vietnam an?
Aber nicht einmal diese Zweifel haben Bestand. Da gibt es so ein Hormon, das bei den Frauen bei der Geburt ausgeschüttet wird. Es sorgt dafür, dass frau fortan ein sabberndes Etwas ist; ein Etwas, das alles, was dem Kindchenschema auch nur ähnelt, für Jahre „sooo süssss“ findet.
Und das Verrückte ist, bei den Männern wirkt es auch gleich. Also verabschiede Dich von Zweifeln. Gegen die Natur hast du eh keine Chance. Das hast du damals Deinem Weib ja auch ins Ohr geflüstert, gelle?
„Hast du es gut. Deine Frau muss dich wirklich lieben! Mir hats die Schwiegermutter gesagt: ‚So, jetzt musst du aber wirklich mal ran, Junge!’, sagt Ralf. Männer wie ihn triffst du jetzt morgens um 7 Uhr beim Bäcker. Sie lungern da oft an den Stehtischen, mit einem Afro-Kaffee „Togo“ in der einen Hand, in der andern das Händchen ihres ältesten Kindes, auf dem Rücken den Rucksack mit Brötchen, Brezen und dem Brot für die Woche. Müder Blick, den du sonst aus einer ähnlichen Situation kennst: Allerdings warst du damals zuvor so was von Abrocken und hast dann vor dem verdienten Tiefschlaf am Tage noch schnell ein Frühkäffchen und ein Croissant genommen. Gegen 10 Uhr. Damals.
Damals sagte Dir die bald frühverrentete Bäckerei-Fachverkäuferin auch noch, dass „Laugen-Croissants schon lange (!!!)“ aus seien. Das hast Du Dir gemerkt. Jetzt stehst du um sieben vor ihr. Mit deinem Kind, das herzzerreißend gucken kann. Etwa, wenn es keine Laugencroissants bekommt. Und du weißt: Den Satz von damals KANN sie nicht mehr sagen. Endlich Laugencroissants!
Jetzt sagt sie: „Die Laugencroissants sind noch nicht geliefert: Die kommen erst gegen 8 Uhr.“